Betreff
Feststellung über das fehlende öffentliche Interesse zum Erhalt eines Industriedenkmals
Vorlage
VG/098/20-BV
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Verbandsgemeinderat der Verbandsgemeinde Westliche Börde stellt öffentlich fest, dass am Erhalt des Industriedenkmals, ehemalige Maschinenfabrik Steinberg 1 in Hamersleben, kein nachhaltiges öffentliches Interesse besteht.

 


Begründung:

 

Die Gemeinde Am Großen Bruch liegt im Landkreis Börde in Sachsen-Anhalt und hatte am 30.06.2020 2067 Einwohner. Am 03.10.1990 betrug die Einwohnerzahl in Summe der einzelnen Mitgliedsgemeinden der heutigen Gemeinde Am Großen Bruch 2916. Die Einwohnerzahl ist demnach um 29,12 Prozent innerhalb von 30 Jahren zurückgegangen. Die allgemeine demographische Entwicklung im Land Sachsen-Anhalt ist auch deutlich in der Gemeinde Am Großen Bruch erkennbar.

 

Die Gemeinde Am Großen Bruch hat im Rahmen der Gemeindegebietsreform Aufgaben an die Verbandsgemeinde Westliche Börde übertragen. Die Verbandsgemeinde Westliche Börde setzt sich aus den politischen Gemeinden Ausleben und Am Großen Bruch sowie den Städten Gröningen und Kroppenstedt zusammen. Gegründet wurde die Verbandsgemeinde am 01.01.2010. Am 30.06.2010 hatte die Verbandsgemeinde 9535 Einwohner. Die Einwohneranzahl betrug am 30.06.2020 nur noch 8668. Damit hat auch die Verbandsgemeinde in 10 Jahren rund 9,1 Prozent der Einwohner verloren.  

 

Die Anforderungen an das gemeindliche Zusammenleben waren allerdings nicht rückläufig. Weiterhin müssen die Gemeinden und Städte alle Flächen und Gebäude in den Gemarkungen verwalten. Auch haben sich die Anforderungen des Einzelnen an die Wohnsituation und die Lebensqualität deutlich erhöht. Gerade im ländlichen Raum wählen Familien die Form des Wohneigentums mit einer eigenen Immobilie anstelle einer Mietwohnung. Dies führte auch in der Gemeinde Am Großen Bruch sowie in allen anderen Mitgliedsgemeinden durch die Ausweisung neuer Bauflächen im Außenbereich zu einer Vergrößerung der einzelnen Ortslagen. An diesem Beispieltatbestand soll deutlich werden, dass mit einer geringeren Einwohnerzahl und daraus auch einem geringen finanziellen Spielraum, die Anforderung zur Verwaltung und Gestaltung der Gemeinden und Städte nicht kleiner geworden ist.

 

Mit der politischen Wende kam für die Großbetriebe in den Orten das Aus. Am 30.06.2018 gab es in der Gemeinde Am Großen Bruch noch 159 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Diese teilen sich auf eine Vielzahl kleiner Unternehmen mit unter 10 Beschäftigten auf. Besonders in der Landwirtschaft gibt es noch eine größere Anzahl an Beschäftigungsverhältnissen.

 

In der Verbandsgemeinde gab es zum Stichtag 30.06.2018 1280 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Insgesamt haben 3217 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte im Verbandsgemeindegebiet gewohnt. Es ergibt sich ein Pendlerdefizit in Höhe von 1939 Beschäftigten. Diese Zahlen zeigen deutlich, dass die Verbandsgemeinde flächendeckend ein Wohnstandort ist. Die vorhandenen Betriebe kommen vorwiegend aus den Bereichen Landwirtschaft, Weiterverarbeitung landwirtschaftlicher Produkte, Pflege, Handwerk, Nahrungsmittelhandel und einer Vielzahl kleiner Gewerbebetriebe. Die Verbandsgemeinde gehört mit über 160 Beschäftigten zum größten Arbeitgeber in den unterschiedlichen Bereichen.

 

Durch den demographischen Wandel und die allgemeinen Rahmenbedingungen um 1990 ist auch die Nutzung für das Fabrikgebäude der ehemaligen Maschinenfabrik im Steinberg 1 entfallen. Mit mehreren Zwischennutzungen versuchten unterschiedliche Eigentümer Teile des Gebäudes im Bereich Handel und Lager nach zu nutzen. Bereits Mitte der 2000er kam es zum vollständigen Leerstand der Liegenschaft.

 

Die Raumzuschnitte und die mehrgeschossige Lage der Räume entsprechen nicht mehr dem heutigen Standard für moderne Produktionsprozesse. Zum aktuellen Zeitpunkt gibt es keine Firma in der Gemeinde Am Großen Bruch und der Verbandsgemeinde Westliche Börde, die einen derartigen Flächenbedarf hat. Auch eine Nachfrage von außen nach derartigen Produktionsflächen ist nicht gegeben. Für den Teil der gemeindlichen Wohnungen war bereits in den frühen 1990er Jahren erkennbar, dass die baulichen Gegebenheiten nicht mehr dem heutigen Wohnstandard entsprechen. Daher kam es zum vollständigen Leerzug der Liegenschaft. In Ballungsgebieten, wie z.B. der Stadt Berlin, gelingt es derartige Liegenschaft in Teilen zu erhalten. Dies gelingt jedoch nur mit einer sinnvollen und wirtschaftlichen Nachnutzungsmöglichkeit. Wie bereits dargestellt, ist die aktuelle Nachfrage an Wohn- und Geschäftsraum von außen gering. Damit sind die notwendigen Baukosten nicht wirtschaftlich darstellbar. Auch der Einsatz von Fördermitteln ist nicht möglich, da geeignete Fördermittelprogramme zur Sanierung nicht vorhanden sind. Damit ist aufgrund der Landeshaushaltsordnung eine Sanierung für die Gemeinde und Verbandsgemeinde ausgeschlossen, da diese zum sparsamen und wirtschaftlichen Umgang mit Haushaltsmitteln verpflichtet sind. Beim aktuellen Mietspiegel und den zu erwartenden Baukosten, wäre eine Sanierung ohne Einsatz von Fördermitteln für die Gemeinde und die Verbandsgemeinde unwirtschaftlich.

 

Die Ortsteile der Gemeinde Am Großen Bruch sind grundsätzlich sehr stolz auf ihre Geschichte. Hamersleben feiert im Jahr 2021 1000jähriges Jubiläum. Rückblickend ist festzustellen, dass sich Hamersleben typisch in der Region entwickelt hat und damit Analogien zu anderen Orten im Umland bestehen.

 

Das Gebäude der ehemaligen Maschinenfabrik verkörpert nur einen Bruchteil der Geschichte von Hamersleben. Das allgemeine Interesse an der Hamersleber Industrialisierung ist gering, da wie bereits erwähnt, diese typisch verlief. Die Geschichte derartiger Gebäude ist vielfach im gesamten Bundesgebiet durch Nachnutzungskonzepte, die zum Bedarf gepasst haben, für zukünftige Generationen erhalten geblieben.

 

Auch die Gemeinde Am Großen Bruch versucht aktiv Besonderheiten ihrer Geschichte für nachfolgende Generationen zu erhalten. Dazu gehört z.B. der Erhalt der Telegrafenstation in Neuwegersleben, der Bockwindmühle Wulferstedt, der Kindertagesstätte Wulferstedt und eines Wohnhauses in der Kirchstraße in Hamersleben. Diese Liegenschaften konnten zur Sicherung des Erhalts mit Nutzungen versehen werden, stellen aber dennoch regelmäßig große finanzielle und personelle Herausforderungen an die Gemeinde. Für die genannten Gebäude kann ein hohes öffentliches Interesse nachgewiesen werden. 

 

Auch die Verbandsgemeinde Westliche Börde investiert gemeinsam mit den Mitgliedsgemeinden im Rahmen ihrer Zuständigkeit in denkmalgeschützte Liegenschaften. Besonders ist hierbei die aktuelle Maßnahme in der Gemeinde Ausleben zu erwähnen. Das alte Wasserschloss “Schloss Trautenburg” wird liebevoll und mit hohem finanziellen Aufwand, fast ausschließlich aus Eigenmitteln der Verbandsgemeinde und der Mitgliedsgemeinde Ausleben, saniert. Weiterhin soll diese Liegenschaft für den kommunalen Kindergarten genutzt werden. Weitere denkmalgeschützte Liegenschaften sind u.a. die Kindertagesstätte Gröningen und die Kindertagesstätte in Kroppenstedt. Auch soll z.B. das Gelände “Edelhof  Gröningen” unter Mitwirkung der Verbandsgemeinde als Aufgabenträger für Kindertagesstätten mit einer Teilnachnutzung versehen werden. Damit ist auch eine Perspektive für den langfristigen Erhalt dieser Liegenschaft gegeben.

 

Alle Pflichtaufgaben der Gemeinde Am Großen Bruch sowie der Verbandsgemeinde Westliche Börde sind durch andere meist denkmalgeschützte Liegenschaften befriedigt wurden.

 

Für die Liegenschaft der alten Maschinenfabrik im Steinberg 1 ist damit weder von Seiten der Gemeinde, noch von Dritten, eine Perspektive denk- und darstellbar.

 

Vielmehr wird deutlich, dass sich die Bevölkerung eine ortsbildtypische Bebauung oder Freiflächengestaltung in diesem Bereich wünscht. Durch die massive Bebauung über mehrere Etagen fügt sich das Gebäude nicht in das Umfeld ein. Es stört sogar stark das gesamte Ortsbild. Eine derartige Bebauung wäre genau aus diesem Grund bauordnungsrechtlich nach heutigen Maßstäben nicht mehr möglich. Auch eine industrielle bzw. gewerbliche Nutzung in der mit Wohnhäusern umbauten Ortslage wäre undenkbar.

 

Besonders die vom Gelände ausgehenden Gefahren für Leib und Leben stehen in keinem Verhältnis zum Denkmalschutz. Der Erker der Villa ist in allen Bauteilen stark geschädigt. Es besteht eine dauerhafte Gefahrenlage vom Erker ausgehend, denn dieser droht ohne weitere Vorankündigung auf die öffentliche Straße zu stürzen. Bei leichten Winden drohen Teile der flächigen Dachkonstruktion auf die Bundesstraße und umliegenden Gebäude- und Freiflächen zu stürzen. Außenwände stehen teilweise frei und können ohne Vorankündigung in den öffentlichen Verkehrsraum stürzen.

 

Zusammenfassend stellt der Verbandsgemeinderat, wie auch bereits zuvor der Gemeinderat der Gemeinde Am Großen Bruch, fest, dass es kein nachhaltiges Interesse am Erhalt der Liegenschaft gibt. Vielmehr sollte die zeitgeschichtliche Epoche in Form der Bebauung ordnungsgemäß dokumentiert und archiviert werden, um zukünftigen Generationen bei Bedarf die Möglichkeit zur Einsichtnahme zu geben. Eine an die heutigen Anforderungen angepasste Nachnutzung des Standorts der Maschinenfabrik mit attraktiven Freianlagen und einer Wohnbebauung wird vom öffentlichen Belang durch den Gemeinderat Am Großen Bruch als sehr hoch eingestuft. Damit kann bei einer zukünftigen Ausweisung von Bauflächen verhindert werden, dass eine weitere Versieglung von Ackerflächen stattfindet. Gerade durch den zunehmenden Fokus auf den Klima- und Artenschutz in der Bevölkerung wiegt dieser öffentliche Belang stark.

 

 


 

 

Einstellung im Haushalt erforderlich?

Ja

Nein

Jahr

Summe

 

 

 

 

Gefertigt

Verbandsgemeinde-

bürgermeister

 

 

Fabian Stankewitz

 

 

 

 

 

Fabian Stankewitz